Affentheater ist noch das Vorwort. Australien hat sich gerade aus der Gruppe der Rechtsstaaten verabschiedet. Wer dazugehören will, respektiert die Trennung zwischen Exekutive und Judikative.

Aber in Australien darf ein Minister einen Gerichtsentscheid einfach mal annullieren. Was immer man von Novak Djokovic halten mag: Er hat ein ordentliches Visum beantragt und ausgestellt bekommen. Das wurde ihm an der Grenze annulliert. Dagegen beschritt er den Rechtsweg, der Richter entschied, ihn einreisen zu lassen.

Nun behauptet ein Minister, er entscheide aus „Gründen des Gesundheitsschutzes und im Sinne der Öffentlichkeit“. Er meint wohl: Er entscheidet aus Gründen der Wiederwahl und im Sinne seiner Partei.

Man stelle sich vor: Ein Schweizer Gericht fällt ein Urteil. Dann kommt ein Bundesrat und sagt: ach nö, im Sinne der Meinungsumfragen und um mein Pöstchen zu behalten, werfe ich den Entscheid um. Es ginge – zu Recht – ein Aufschrei durch die Schweiz.

Die Politik Australiens gegenüber Asylsuchenden und Einwanderern ist seit Jahren ein Skandal. Zum Teil viele Jahre lang hocken Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Zuständen in Lagern ausserhalb Australiens. Rechtlos, von privaten Firmen bewacht, die ein Minimum an Lebensnotwendigem anbieten, um ein Maximum an Profit zu erzielen.

Das Abschiebehotel, in dem Djokovic die ersten Tage verbringen musste, ist geradezu die Luxusausgabe dieser Knäste.

Das ist der australische Skandal. Weit weg, down under, who cares. Aber es gibt auch einen Schweizer Skandal, und der besteht in der Berichterstattung über diesen australischen Wahnsinn.

Erwähnt hier einer unserer Qualitätsjournalisten diesen rechtsstaatlichen Skandal? Ach was, man massiert lieber alle Vorurteile und rassistischen Clichées, die man gegenüber Serben auffahren kann.

Grössenwahnsinnig seien die, Djokovic ein „Schwurbler“. Die serbische „Krawallpresse“ sei unterwegs zum Weltkrieg, falls die Nummer eins tatsächlich am Turnier teilnehmen dürfe, gäbe es „Aufruhr“ und Bürgerkrieg in Australien. Oder in einem Satz: „Der Weltranglistenerste ist zum Symbol der Egozentrik, der Uneinsichtigkeit, der Ungleichheit und zu einem weltweiten Anführer der Impfgegner geworden.“

Das erschien, begleitet von demagogischen Fotos eines grimmigen, unrasierten, den Mund zum Schrei geöffneten Serben mit stechendem Blick nicht etwa in Boulevard-Medien, sondern im angeblichen Qualitätskonzern Tamedia.

Dessen Big Boss Pietro Supino, ein grosser Befürworter der zusätzlichen Medienmilliarde, sagt ohne rot zu werden: „Der wichtigste Beitrag, den wir als Branche leisten können, ist die verlässliche Information der Bevölkerung über Fakten und Meinungen.“

Kleine Korrektur, Herr Supino: es bräuchte den Konjunktiv. „Leisten könnten“, so wäre es korrekt. Denn was sich Tamedia hier als Medienimperium leistet, das mit insgesamt 15 Tageszeitungen sich mit CH Media als Duopol das Tagesgeschäft teilt (die NZZ ist ja nur für einige wenige, und der „Blick“, ach ja), das ist erbärmlich.

Ein Redaktor mit kosovarischen Wurzeln darf die hetzende Meute anführen. Ohne dass das dem Leser transparent gemacht wird. Austeilen kann der, auf eine journalistische Anfrage reagiert er nicht. Angesichts des Verhältnisses zwischen dem Kosovo und Serbien ist das ungefähr so, wie wenn ein Nordkoreaner über Südkorea schreiben würde – und dem Leser wird das nicht transparent gemacht.

Personalisierung, Stigmatisierung, in Wiederholungsschleife die ewig gleichen, despektierlichen Adjektive verwenden, einen Serben, alle Serben als unter Komplexen leidende Irre darstellen, die mal wieder einem „falschen Märtyrer“ folgen, was hat all das mit Qualitätsjournalismus zu tun?

Welchen Grund könnte Tamedia anführen, wieso der Konzern mit Steuergeldern unterstützt werden sollte? Weil die Medienclans in den letzten Jahren Milliardengewinne in den eigenen Sack steckten, statt dringend nötige Investitionen in technologischen Wandel zu stecken? Weil ihre Manager mit offenen Mündern zuschauten, wie Google, Facebook & Co. sich über 90 Prozent vom Online-Werbekuchen abschneiden? Weil statt Pluralismus und Meinungsvielfalt zwei Zentralredaktionen von Tamedia und CH Media insgesamt 36 Zeitungen in der Schweiz von Basel bis Bern, von Aarau bis St. Gallen, von Zürich bis Luzern mit dem gleichen Einheitsbrei abfüllen?

Die Wahrheit ist konkret. Der Fall Djokovic ist das Beispiel dafür, wie tief dieser Journalismus gesunken ist. Der ist keinen Steuerrappen wert. Von einer Steuermilliarde ganz zu schweigen.