US-Präsident Joseph «Joe» Biden ist am Mittwoch nach Israel gereist und hat dort mit dem Ministerpräsidenten Benjamin «Bibi» Netanjahu gesprochen. Er habe den Beistand der USA zugesichert, heisst es in den Berichten, nachdem zuvor bereits zwei US-Flugzeugträger-Gruppen in die Region entsandt wurden.
Doch Israel wolle diese Unterstützung gar nicht, zitiert der investigative Journalist Seymour Hersh in einem am Donnerstag veröffentlichten Text einen US-Geheimdienstbeamten. Dieser habe rhetorisch gefragt, ob der Grund für Bidens kurzfristige Reise «vielleicht nur darin besteht, den Ukraine-Krieg von den Titelseiten fernzuhalten?»
Hersh macht in seinem neuen Text darauf aufmerksam, dass es zur Lage in Israel und Palästina erneut Differenzen zwischen dem Weissen Haus und dem Geheimdienst CIA gebe – «wie schon während des verlorenen Krieges zwischen der Ukraine und Russland». Statt Bidens Zusage der militärischen Unterstützung Israels wäre es besser gewesen, die USA hätten humanitäre Hilfsgüter an die Menschen im Gazastreifen geliefert, so der Journalist.
Er verweist darauf, dass Biden in einer «Zeit der internationalen Empörung» nach Israel reiste, nachdem das wichtigste Krankenhaus in Gaza-Stadt durch eine mutmasslich israelische Rakete zerstört wurde. Das führte auch dazu, dass ein geplanter Besuch des US-Präsidenten in Jordanien einschliesslich eines Treffens mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von jordanischer und palästinensischer Seite abgesagt wurde.
Hersh schreibt:
«Der Präsident sagte, er wolle in erster Linie eine Botschaft der Zurückhaltung übermitteln. Wenn dem so ist, war der Präsident völlig im Unklaren über die israelischen Absichten.»
In einem Interview am vergangenen Sonntag habe Biden bereits seine Unkenntnis der Lage kundgetan.
Der investigative Journalist gibt erneut Aussagen von US-Geheimdienstmitarbeitern wieder, denen zufolge Netanjahu «nicht die Absicht hat, irgendein Mitglied der Hamas überleben zu lassen». Aus Ihrer Sicht seien dem Regierungschef Israels die Probleme der Bewohner von Gaza-Stadt gleichgültig, die an der Grenze zu Ägypten ohne Nahrung und Wasser vor verschlossenen Toren stehen.
Netanjahu sei vermutlich entschlossen, «die Hamas auszulöschen»,gibt Hersh die Geheimdienstmitarbeiter wieder. Einer habe ihm gesagt, dass «Gaza-Stadt dabei ist, in Hiroshima verwandelt zu werden, ohne dass Atomwaffen eingesetzt werden». Dabei könnten Bomben aus US-amerikanischer Produktion aus dem israelischen Arsenal eingesetzt werden, einschliesslich der so genannten «Bunker Busters», bunkerbrechenden Bomben, auf die unterirdischen Tunnelsysteme der Hamas.
Nach den israelischen Plänen wäre eine massive Bodeninvasion nicht erforderlich, die Bodentruppen sollen aber diejenigen Hamas-Mitglieder im Untergrund jagen, die sich ergeben wollen – um auch sie zu töten. Der entsprechende Befehl laute: «Bei Sichtkontakt erschiessen». Eine Kapitulation sei keine Option. Die Hamas-Soldaten, die aus den Tunneln kämen und verzweifelt nach Nahrung suchten, würden von den Israelis als «hungernde Ratten» betrachtet, «denen man vergiftetes Essen vorsetzen würde».
Die israelische Armee solle alle Hamas-Mitglieder töten, die sie im zerstörten Tunnelsystem finden könne – «und dann das, was einst Gaza-Stadt war, an seinem südlichen Ende verbarrikadieren». Israelische Soldaten würden dann beauftragt, in der zerstörten Stadt Block für Block nach Nachzüglern zu suchen. Dabei sollen keine Hamas-Nachzügler ins Mittelmeer entkommen können, gibt der US-Journalist die israelischen Pläne wieder.
Die US-Geheimdienste würden den Hamas-Angriff vom 7. Oktober als «in jeder Hinsicht gescheitert» ansehen, so Hersh. Die erhoffte Unterstützung aus den arabischen Ländern und anderen islamischen Organisationen sei bis auf die des palästinensischen Dschihad nicht erfolgt, weil es dort deutliche Kritik am Hamas-Vorgehen gebe. Gleichzeitig wird der Iran als Drahtzieher der Aktion gesehen.
Unterdessen wächst auch in den USA der Protest gegen das Israelische Vorgehen, selbst von jüdischen Organisationen. So sind Berichten zufolge am Mittwoch Hunderte jüdische Demonstranten, die einen Waffenstillstand in Gaza forderten, in ein Gebäude des US-Kongresses in Washington geströmt. Zu ihren Forderungen gehörte auch ein «Stopp des Völkermordes in Gaza».
Seymour Hersh: What is Biden telling Bibi? – 18. Oktober 2023