DOK 294: HÄTTEN SIE DENN GERNE KRIEG MIT RUSSLAND?

Antworten Sie ruhig ganz ehrlich. Krieg führen zu wollen ist ja keine Schande, sondern steht gleichwertig neben dem Wunsch, in Frieden zu leben. Beides hat seine Nachteile, beides hat seine Vorteile. Von daher wäre die Frage, ob Krieg geführt werden soll, die klassische Frage für eine Volksabstimmung überhaupt.

Fragt man aber das Volk, dann droht die Gefahr von Zufallsmehrheiten. Und nichts ist schlimmer als das. Zu Recht werden Zufallsmehrheiten von wahren Demokraten gefürchtet. Da ist die Furcht des Teufels vor dem Weihwasser ein Dreck dagegen. Besser ist es da schon, das Parlament zu befragen. Da ist man an der richtigen Adresse. Deswegen heißt die Bundeswehr ja auch Parlamentsarmee – und nicht Volksarmee. Außerdem genügt ein einziger Blick auf das Parlament, das da – zerfallen in Fraktionen – im Reichstag sitzt, um zu wissen,  wie die Abstimmung ausgehen wird. Und wenn man noch dazu die Wahl zwischen zwei Parlamenten hat, von denen das eine mit höherer Wahrscheinlichkeit für den Krieg und seine Finanzierung stimmen wird als das andere, dann ist die Situation doch komfortabler als man es sich in seinen schönsten Träumen ausmalen kann.

Haben Sie auf die Frage in der Überschrift geantwortet, Sie wollen lieber keinen Krieg gegen Russland?

Das sollten Sie nun dringend überdenken. Das könnte Ihnen erhebliche Unannehmlichkeiten bringen. Wo eine Regierung mit einer Parlamentsmehrheit – und sei es nur die des schon abgewählten Parlaments – für baldigste Kriegstüchtigkeit und maximale Aufrüstung Sorge trägt, kann Kritik daran, oder gar ein widerstrebendes Gebaren, nicht geduldet werden. Das wäre ja nicht nur Delegitimierung von Repräsentanten des Staates, es wäre auch – und das wiegt noch schwerer – das Delikt der Wehrkraftzersetzung.

Also, überlegen Sie es sich gut, ob Sie nicht doch auch für den Krieg sein wollen.

Es wird Ihr Schade nicht sein. Vor allem die Vorkriegszeit wird wunderbar werden. Es soll ja erst in fünf Jahren wirklich losgehen. In diesen fünf Jahren werden wir jedes Jahr mindestens 200 Milliarden für Rüstung und die Kriegsertüchtigung der Infrastruktur als Konjunkturspritze ausgeben. Das wird die Steuerzahler in diesen fünf Jahren jedoch absolut nicht belasten. Dieses Geld fällt sozusagen umsonst und gratis aus den Wolken. Man wird es nur aufheben müssen. Manche spannen schon große Netze auf, damit auch ja nichts daneben geht. Der DAX wird weiter steigen, gar keine Frage.

Fröhliche junge Männer in voller Montur werden frühmorgens im Gleich- oder Laufschritt durch die Straßen der Garnisonsstädte ziehen und die Bürger mit dem Gesang aus hunderten von Kehlen in den neuen Tag geleiten.

Eine erwartungsvolle Stimmung breitet sich aus. Vom Kindergartenkind bis zum Greis im Pflegeheim bewegt alle nur noch ein Gedanke: „Wann geht es endlich los?“

Wir, die wir nach 1933 geboren wurden, sind ja auch schwer benachteiligt. Vier Generationen, denen die Gelegenheit versagt geblieben ist, sich als  Helden im Krieg und als Heldinnen an der Heimatfront zu bewähren. Wenn die heute Achtzigjährigen noch eine Chance bekommen sollen, an der Panzerfaust ausgebildet zu werden, muss es jetzt wirklich schnell gehen. Für viele von den Alten zählt doch praktisch jeder Tag …

Andererseits sind fünf Jahre bis zur Kriegstüchtigkeit schon ein ambitioniertes Ziel, und – nicht zu vergessen – Selenski muss unbedingt noch so lange durchhalten, damit es überhaupt noch eine Gelegenheit zum Eingreifen gibt, wenn wir dann so weit sind. Dass Trump jetzt die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellt, macht alles nur noch komplizierter und vor allem dringlicher.

Aber dann, wenn die deutschen Panzer endlich mit deutschen Besatzungen am Don, auf der Krim und an der Straße von Kertsch stehen, um da weiterzumachen, wo sie im Frühjahr 1944 aufgehört haben, wird es endlich wieder Eiserne Kreuze auf jene Helden regnen, die – ob gefallen, verwundet oder heil geblieben – ihr Leben einsetzen, um Unseredemokratie zu retten.

Nach der Siegesfeier in Kiew sind es dann  keine tausend Kilometer mehr nach Moskau. Während die siegreichen Truppen vom Süden her auf die Hauptstadt des Bösen ziehen, machen sich die bisher geschonten Reserven der deutschen Speerspitze im Baltikum ebenfalls auf den Weg. Ein klassischer Zangenangriff, der binnen weniger Wochen mit der Kapitulation Russlands belohnt werden wird.

Fehlt es Ihnen immer noch an der Begeisterung? Dann stellen Sie sich doch einfach heute schon die Bilder der Siegesparade auf dem Roten Platz vor. Hoch oben auf der Tribüne vor dem Lenin-Mausoleum nehmen Strack-Zimmermann, Hofreiter und Kiesewetter salutierend die Parade ab, flankiert von Merz und Klingbeil, während Pistorius im offenen Aurus Senat Cabrio, einem Beutefahrzeug aus Putins Fuhrpark, den Siegeszug anführt. Für solche Bilder lohnt sich jede Anstrengung, jeder Einsatz. Nicht alle werden persönlich dabei sein können, aber ARD und ZDF werden alles live übertragen und uns wochenlang mit Wiederholungen der wichtigsten Szenen versorgen.

Natürlich kann es auch ganz anders kommen.

Aber warum sollte es?

Dazu sollte Ihnen besser nichts einfallen.  Sie wissen schon, Wehrkraftzersetzung und so  …

P.S.:

Sollten Sie annehmen, der Kreutzer übertreibt mal wieder, und, das kann doch der Merz nicht wirklich wollen, dann lesen Sie bitte ganz langsam und sorgfältig, was German Foreign Policy an geplanten Überraschungen für das deutsche Volk zusammengetragen hat. Ist wichtiger als mein Artikel, den Sie soeben gelesen haben.