DOK 304: Israels Vernichtungskrieg: Das Morden geht weiter!

Israel setzt seinen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser ungehindert nach der gebrochenen Waffenruhe im Gaza-Streifen fort. Das schreibt der investigative US-Journalist Seymour Hersh (87) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag.

Für den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seine rechtsextremen Anhänger seien die fast zwei Millionen Menschen im Gaza- Streifen «nie ein Thema» gewesen, seit die Rund-um-die-Uhr-Bombardierungen im Oktober 2023 begann, schreibt Hersh. «Sie waren nur Kollateralschäden», stellt er lakonisch fest und fügt hinzu, Israel sei «bereit, eine weitere Runde der Vergeltung einzuleiten»

«Am 18. März brach Netanjahu die Waffenruhe mit der Hamas, indem er eine Reihe von israelischen Luftangriffen genehmigte, bei denen schätzungsweise vierhundert Menschen in Gaza getötet wurden. Der Premierminister behauptete fälschlicherweise, er habe dies getan, weil die Hamas sich geweigert habe, einseitig weitere israelische Geiseln freizulassen.»

Sein Ziel sei es, die schätzungsweise 20.000 bis 25.000 überlebenden Hamas-Kämpfer umzubringen, die sich noch in Gaza aufhielten und von denen viele isoliert oder in kleinen Einheiten geringfügig bewaffnet operierten. Netanjahu habe sich geirrt, als er nach dem 7. Oktober 2023 ankündigte, dass die Hamas einen «beispiellosen Preis» für die Tötung von mehr als 1200 Israelis und die Gefangennahme von 251 Geiseln zahlen würde.

Er habe nicht damit gerechnet, dass die Hamas noch nicht vollständig besiegt sein würde, während mehr als 50.000 Bewohner des Gazastreifens, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, den israelischen Luft- und Bodenangriffen zum Opfer fallen würden. Diese Zahlen könnten noch viel höher sein, schreibt Hersh und verweist außerdem auf die vielen Verletzten und die psychischen Traumata, die durch die ständigen Bombardierungen und den Entzug von Nahrung, sauberem Wasser, Wohnraum und grundlegender Gesundheitsversorgung verursacht wurden.

Die internationale Anteilnahme für die ermordeten und verletzten Bewohner von Gaza habe die Unterstützung für den israelischen Luftkrieg schnell schwinden lassen. Aber die israelischen Bombenangriffe seien unvermindert weitergegangen.

«Die Hamas hielt durch, trotz des Verlusts ihrer Führung, mangelnder Versorgung und der Zerstörung ihres unterirdischen Tunnelnetzes, das für ein gewisses Maß an Sicherheit gesorgt hatte. Die anfänglichen israelischen Versprechen eines schnellen Sieges wurden durch Tausende von Luftangriffen auf die Häuser und Einrichtungen von Gaza untermauert, aber der Krieg ging weiter.»

Netanjahu habe nun jenen in Israel, die ihn immer noch unterstützen – die extreme Rechte, die sich aus religiösen Fanatikern und Siedlern zusammensetzt –, versprochen, die Palästinenser endgültig zu vertreiben. Er werde den Fanatikern geben, was sie wollen, «und sie werden ihrerseits ihren Teil dazu beitragen, ihn im Amt zu halten», so der US-Journalist. Es ist eine Ehe, die über zerbrochenen Körpern geschlossen wurde.

Die neue israelische Invasion des Gaza-Streifens werde «ein Krieg von Haus zu Haus, Tunnel zu Tunnel». Netanyahus Ziel sei es, die verbleibenden Tausenden von Hamas-Kämpfern aufzuspüren und zu töten. «Man könnte es eine Vernichtungsoperation nennen», stellt Hersh fest.

Es werde davon ausgegangen, dass bis zu fünf Divisionen israelischer Truppen und Reservisten – möglicherweise noch viel mehr – erneut in den Krieg vor Ort ziehen werden. Eine Division der israelischen Streitkräfte IDF bestehe aus zehntausend Soldaten.

«Der Krieg Israels in Gaza wurde während der Waffenruhe kaum unterbrochen. Die israelischen Truppen sind in Gaza und im Westjordanland zunehmend präsent, und gezielte Tötungen, insbesondere von arabischen Journalisten, haben in beiden Gebieten stetig zugenommen.»

Hersh macht darauf aufmerksam, dass Israel trotz seiner überwältigenden Bodentruppen, seiner unangefochtenen Luftwaffe und einer stetigen Versorgung mit US-Bomben und anderer Munition den Krieg nicht gewinnen konnte. US-Präsident Donald Trump scheine nach einer kurzen Welle von Spekulationen über Gaza als potenzieller Standort für ein Strandresort das Interesse an der Region verloren zu haben, «obwohl seine Regierung die Regierung Netanjahu weiterhin mit Bomben, Munition und Rhetorik unterstützt».

Der Journalist berichtet von einem Gespräch mit einem israelischen Militär-Veteranen, der gesagt habe, Israel sei so unnachgiebig, weil es nicht mehr nur ein einziges Israel gebe. Die Gesellschaft sei inzwischen dreigespalten und die Politik nehme diktatorische Züge an.

«Die Exekutive will alles sein, und um dies zu erreichen, zerstören sie den fragilen jüdischen gemeinsamen Nenner.»

Unter Netanjahu als «brillantem aschkenasischen Manipulator» (als asckenasisch werden die aus Europa stammenden jüdisch Gläubigen bezeichnet – Anm. d. Red.) würden marokkanische Juden gegen aschkenasische Juden aufgehetzt, während irakische, syrische, libysche, tunesische, jemenitische und ägyptische Juden in der Mitte stehen würden. «Parasitäre» Ultraorthodoxe (meist Aschkenasim) würden in Kriegszeiten mit Gold überschüttet, um sich ihre Unterstützung zu sichern, was den Konflikt noch mehr verschärfe.

Hersh berichtet außerdem, dass ein «gut informierter US-amerikanischer Beamter mit Erfahrung in Israel» ihn daran erinnerte, dass dieser zu Beginn des Krieges vorausgesagt hatte, dass die Israelis unter Netanyahus Führung «nicht aufhören würden, bis die Hamas vollständig ausgelöscht ist».

«Die Waffenruhen waren Kriegslist, um Hamas-Kämpfer aus ihren Verstecken zu locken. Sie waren Todeskandidaten, und das sind sie auch.»

Netanjahu habe die Waffenruhe vorgetäuscht, um so viele Geiseln wie möglich zu befreien, «aber jetzt hat dieser Trick ausgedient». Was mit den Menschen in Gaza geschehe, hänge von den reichen Arabern ab, so von Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Das US-Vorgehen beschrieb Hershs Informant so:

«Wir werden beobachten und abwarten, bis die Hamas nicht mehr existiert, und dann einschreiten, um das Leid zu lindern, aber nicht, bevor die Israelis entscheiden, dass es vorbei ist.»

Das hänge nicht von Netanjahu ab, denn «die Nation Israel spricht mit einer politischen Stimme und würde dies tun, egal welche Partei und welcher Führer das Sagen hat». Hersh verweist auf frühere Gesprächen mit hochrangigen Israelis mit langjähriger Militär- und Regierungserfahrung, die das bestätigt hätten.

Er zitiert einen hochrangigen IDF-Offizier im Ruhestand, der zwar Kritik an Netanjahu übte, aber sich für die Fortsetzung des Krieges gegen die Hamas ausgesprochen habe. Diese Aussagen zeigen zugleich, wie tief die menschenverachtenden Haltung gegenüber den Palästinensern in Israel sitzt.

Der Ex-IDF-Offizier habe gesagt, dass Netanjahu den Krieg brauche, um seine politische Macht mit all ihren Vorzügen zu sichern. Aber die Hamas sei sehr gefährlich, fügte er demnach hinzu. Deshalb hätten das Militär und die Geheimdienste Israels der neuen Offensive zugestimmt.

Der Offizier machte deutlich, dass er wenig Mitgefühl für die Notlage der Menschen in Gaza hat, berichtet Hersh und zitiert ihn:

«Ich bin natürlich dafür, den Krieg zu beenden, aber aus einem anderen Grund: Dies ist der einzige Weg, um unsere Geiseln zu befreien. Die Menschen in Gaza verdienen alles, was ihnen widerfahren ist.»

Aber es gebe keinen Völkermord, behauptet der Ex-Militär. Um den Palästinensern vorzuwerfen, sie hätten «ihre Kinder dazu erzogen, uns abzuschlachten oder zu sterben oder uns abzuschlachten und zu sterben». Für sie seien «Plünderungen, Dschihad und Märtyrertum (…) ihre Höhepunkte auf allen Bildungsebenen».

Das sagt der israelische Ex-Offizier, ohne ein Wort darüber zu verlieren, unter welchen Bedingungen Israel die Palästinenser im Gaza-Streifen seit vielen Jahren hält. Dafür spricht er davon, dass der «Hass auf die Bewohner des Gaza-Streifens» der einzige gemeinsame Nenner zwischen ihm und dem Rechtsextremen in Israel sei.

Die Menschen im Gaza-Streifen seien «der ultimative Feind, allesamt Islamo-Nazis der schlimmsten Sorte. Ihre Kinder sind Islamo-Nazi-Hitlerjugend, die 1945 in Berlin in den einstürzenden, brennenden Trümmern für ihren Führer kämpfen.»

«Aber wir sind keine Nazis», erklärt der Ex-Offizier laut Hersh und spricht von der Pflicht, «einen Weg zu finden, uns zu ändern». Der US-Journalist meint, der IDF-Veteran wisse, «wie viele Menschen auf der Welt, dass eine Lösung der arabisch-israelischen Krise in weiter Ferne liegt». Wenn das intolerante Israel von Benjamin Netanjahu und seinen extremistischen Partnern weiter auf dem Vormarsch bliebe, werde es vielleicht nie dazu kommen.

«Aber jetzt regt sich die arabische Welt, die seit Jahrzehnten mit einem nuklear bewaffneten Israel konfrontiert ist. Wenn es nach der dortigen Führung geht, werden in Saudi-Arabien bald Kernkraftwerke gebaut, und Israel könnte in der Region nicht mehr über das alleinige Besitztum dieser furchteinflößenden Abschreckungswaffe verfügen.»

Quelle:

Seymour Hersh: ISRAEL PREPARES ANOTHER INVASION – 26. März 2025