EVERY DAY CAIM 59:“DIESER MÖNCH REDET MIT UNERSCHROCKENEM MUT!“

«Hier stehe ich und kann nicht anders!» Fünf Jahrhunderte ist es her, dass Luther diesen berühmten Satz im Angesicht von Kaiser Karl V. und den Edlen  des Heiligen Römischen Reiches sprach. Zum Jubiläum sollte ein umfangreiches Gedenken stattfinden, sowohl der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, als auch Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hätten in Worms auftreten sollen. Aber Fehlanzeige: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die geistlichen Würdenträger für denselben Tag nach Berlin zitiert – zur «zentralen Gedenkfeier für die Toten der Corona-Pandemie in Deutschland.» Ein völlig und unnötig gewählter Termin, so dass man sich fragt, welchen Teufel im wahrsten Sinne Steinmeier geritten hat und warum sich die geistlichen Würdenträger es sich gefallen lassen, sich so widerstandslos in die Parade fahren zu lassen. Mit voller Absicht soll wahrscheinlich ein Feiertag ausradiert werden, den, also Luthers Auftritt in Worms, die EDK «als historisches Ereignis von Weltrang und bedeutendes Zeichen für Zivilcourage» bezeichnet hat. Zivilcourage zählt seit Corona nicht mehr, nicht nur bei den meisten Ärzten, Juristen und Medien»abschaffenden», sondern leider auch bei den Pfaffen. Wir stellen fest: Das 1521 gesetzte Zeichen für die Unabhängigkeit der Religion von Vorgaben der Obrigkeit ist heute unerwünscht, da sich die Kirchen den Merkel-u.a.-Regimen übereifrig und duckmäuserisch angeschmiegt haben.

Lodernde Scheiterhaufen

Luthers Reise von Wittenberg, wo der Priester an der Universität lehrte, nach Mainz war ein Triumphzug. Die Reformation hatte nach seinem «Thesenanschlag» 1517 im Sturmwind die Reichsterritorien zwischen Alpen und Nordsee erobert. Sein bescheidener Planwagen wurde, nur von wenigen Berittenen geschützt, überall vom Volk umlagert. Viele Menschen hofften, dass dem kleinen Mann die Erneuerung der Kirche gelingen möge. Zu dieser Zeit plünderte der Vatikan die Gläubigen schamlos aus, indem er ihnen Todesangst einflösste (kennen Sie das von irgendwo her…?): Wer vom römischen Emissär Johann Tetzel keinen Ablassbrief für seine Sünden kaufe, werde in der ewigen Verdammnis schmorren. Das war mehr als eine Drohung, die in der tiefreligiösen Welt der Renaissance, die kaum den Pestjahren entronnen war, noch erheblich stärker wirkte als die ganze Corona-Panikmache in diesen Monaten.

Pilgerreise nach Rom

 Auf dieser hatte Luther mit Entsetzen entdeckt, wie sehr der Klerus alle christlichen Glaubensregeln missachete. In seiner Schrift «An den christlichen Adel deutscher Nation» forderte er eine Neuordnung des Reiches und eine von Rom unabhängige deutsche Kirche.

Heute hätte Luther im Minimum einen Youtube- und Telegram-Kanal gehabt. Aber auch ihn, nicht nur mich, ereilte die Zensur: Der Papst verhängte über ihn den Bann, das christliche Gegenstück zum Strike oder zur Fatwa: Jedes (!) Verbrechen gegen den Abtrünnigen war gerechtfertigt.

Kaiser Karl V. unter Druck

Kaiser Karl, ein Habsburger, mochte sich der Verdammung des Wittenbergers nicht anschliessen, denn er stand selbst unter dem Druck einer Gruppe von Fürsten, die sich Luthers Kritik angeschlossen hatten. Insbesondere Georg von Sachsen sprach noch vor dem Eintreffen Luthers auf dem Reichstag über «die Missbräuche, die laut gegen Rom zeugen: Die Ausschweifung reicht der Habsucht die Hand (…). Das ist leider der Skandal, der von der Priesterschaft verursacht wird, der so viele arme Seelen in die Verdammnis reisst. Eine allgemeine Reform muss durchgeführt werden!»

Gegen den wilden Protest des päpstlichen Gesandten, Kardinal Aleander, hatte Karl dem Vorgeladenen freies Geleit zugesichert, der Ausweis einer gewissen Unabhängigkeit vom Heiligen Stuhl, die dem Reisenden Hoffnung machte.

Die Schriften brennen auch

Doch gleichzeitig hatte die Inquisition in den Niederlanden und am Rhein mit der Verbrennung der Luther-Schriften begonnen. Luther wurde deshalb immer wieder von seinen Anhängern gewarnt: «Man wird dich verbrennen wie den Jan Hus!»

Der Böhme, der bereits viel von der Kritik Luthers vorweggenommen hatte, war 1415 zum Konzil in Konstanz geladen worden, um seine Argumente vorzutragen. Trotz Zusicherung freien Geleits durch Kaiser Sigismund landete er auf dem Scheiterhaufen.

Luther, sein Nachfahre im Geiste, liess sich nicht ängstigen: « Ich will gen Worms, wenngleich so viele Teufel drinnen wären wie Ziegel auf ihren Dächern.» Der Landsknechtführer Georg von Frundsberg, der mit Luthers Anliegen sympathisierte, obwohl er im Dienste des Habsburgers stand, rief ihm zu:

«Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang, dergleichen ich und mancher Oberster auch in unseren blutigsten Schlachten nicht getan haben.»

Luther war längst zum Kristallisationspunkt für die Unzufriedenen im ganzen Reich geworden, die Gerechtigkeit, Freiheit und nationale Souveränität (!) verlangten. Wie würde sich Luther in Worms schlagen?

Ein Hexenkessel

Beim Reichstag herrschte eine einschüchternde Atmosphäre: Der Kaiser auf seinem Thron, die päpstliche Delegation mit Aleander, der Saal übervoll mit Patriziern und Fürsten.

Der Historiker Otto Zierer schildert die Szene wie folgt: «Was weiss der Bauersohn aus Thüringen vom burgundischen Hofzeremoniell? Freimütig und unbefangen tritt er vor den Kaiser der Welt, in Gegenwart der Majestät grüsst er Freunde und Bekannte im Saal durch lauten Zuruf, eine Geste, die dem Volk, aber auch den Rittern gefällt!»

Aleander beginnt das Verhör, fordert Luther zum Widerruf seiner Schriften auf. Dieser erbittet sich Bedenkzeit. Am nächsten Tag wird die Sitzung fortgesetzt. Luther beginnt mit einem Paukenschlag, dem jungen Kaiser sagt er ins Gesicht:» Er mag nicht den Beginn seiner Herrschaft mit Ungerechtigkeit beflecken, denn Gott kann auch Kaiser stürzen!» Widerrufen könne er nur, wenn er «durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernuntgründe überzeugt werde. Und weiter: «Weder dem Papst noch Konzilen allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben». Dann fällt von einem sichtlich beeindruckten Kaiser der berühmte Satz: «Dieser Mönch redet unerschrocken, mit getrostem Mut!» Der Wittenberger schien dem Sieg nahe.

Die Wende

Sie folgt überraschend am nächsten Tag. Karl V. bekennt sich zur Religionspolitik seiner Vorfahren und kündigt an, Luther als «offenbaren Ketzer» zu behandeln. Die päpstliche Delegation fordert seine unmittelbare Hinrichtung: «Der Rhein soll seine Asche aufnehmen wie vor hundert Jahren die von Hus.» Karl V. wagt aber diesen Treuebruch nicht und sichert dem Verdammten die Heimreise zu. Die Reichsacht gegen ihn wird erst Wochen später verhängt.

Strategischer Rückzug

Luther, vielleicht auch sein Beschützer, der Herzog von Sachsen, wussten, dass jetzt die Zeit zum strategischen Rückzug gekommen war: Auf der Rückreise nach Wittenberg wurde ein Kidnapping inszeniert, der Entführte anschliessend auf der Wartburg versteckt. Dort übertrug Luther die Bibel ins Deutsche und schuf mit dieser Titanenarbeit die Grundlage für eine einheitliche Nationalsprache.

Strategischer Rückzug war auch Luthers Devise beim Bauernkrieg 1525: Nachdem die Unterjochten, gestützt nun auf die für sie lesbare Heilige Schrift, grosse Teile Süddeutschlands unter Kontrolle gebracht hatten und das Feuer auch Thüringen in Brand setzte, entzog ihnen der Reformator die Unterstützung. Er hielt nichts davon, dass die Aufständischen die Privilegien der Adligen überall abschaffen wollten, auch die der Protestantischen. Sein Kalkül schien zunächst aufzugehen: Die Bauern wurden vernichtend geschlagen und die evangelischen Fürsten konnten im Augsburger Religionsfrieden von 1555 die konfessionelle Freiheit in ihren Territorien sichern. Deutschland aber blieb im Unterschied zu anderen Grossmächten, ein religiös gespaltenes Land. Die Widersprüche entluden sich im nächsten Jahrhundert im Dreissigjährigen Krieg. Diese Schlächterei, die die von Luther verabscheute Grausamkeit der Bauern bei weitem übertraf, kostete jeden vierten Deutschen das Leben. Dunkle Nacht fiel über das Reich, das zum Spielball seiner eroberungslüsternen Nachbarn wurde.

Und aktuell? Zumindest herrscht schon fortgeschrittene Dämmerung und die gesellschaftlichen Scheiterhaufen für die Corona-Ketzer brennen auch schon und auf ihnen die Zivilcourage.

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