EVERY DAY CAIMI 247: DROHNEN-ATTACKE AUF DEN KREML

Ein Kommentar von Hermann Ploppa.

Offensichtlich wird munter immer weiter gezündelt im Ukraine-Krieg. Beide Seiten müssen endlich Ergebnisse präsentieren. Kommt es deswegen zur Eskalation?

Geht es Wladimir Putin an die Gurgel? Neulich bereits war eine ukrainische Drohne dreißig Kilometer vor der russischen Hauptstadt Moskau abgestürzt. Sie wurde nicht etwa von der russischen Luftabwehr vom Himmel geholt. Sie stürzte einfach auf den Acker, weil der Treibstoff aufgebraucht war. In der Nacht vom 3. Mai allerdings flogen nacheinander zwei Drohnen sogar über den Kreml. Sie wurden über dem Dach des altehrwürdigen Gebäudekomplexes zur Explosion gebracht. <1> Seitdem streiten sich die Experten über die genaueren Umstände dieses kuriosen Ereignisses inmitten des Allerheiligsten russischer Identität. Die russischen Sicherheitsdienste hatten gerade erst zum Jahreswechsel eine neue Luftabwehr über Moskau installiert, die auch von westlichen Beobachtern als undurchdringlich angesehen und bewundert wurde. So spekulierten die Experten, ob eventuell ukrainische Agenten die Drohnen unbemerkt nach Moskau gebracht und unterhalb des russischen Schutzschirms in Moskau selber gestartet hätten <2>.

Die vermeintliche Undurchdringlichkeit des russischen Abwehrschirms regte natürlich auch noch zu ganz anderen Vermutungen an: könnten russische Kreise selber diese Attacke veranlasst haben? Etwa sogar russische Oligarchen, die unzufrieden mit der Isolation Russlands seien, und die sich ärgern, dass beträchtliche Vermögenswerte auf westlichen Konten eingefroren sind? Oder handelt es sich gar um eine russische Variante von 9/11? Mit anderen Worten: wollten russische Geheimdienstkreise den psychologischen Boden bereiten für ein noch härteres Vorgehen der russischen Streitkräfte in der Ukraine? Seltsam auch, dass das Video vom Drohnenangriff auf den Kreml zwei Personen zeigt, die just zu jener nächtlichen Stunde auf dem Dach des Palastes herumkraxeln. <3> Was soll das denn?

Die ukrainische Regierung jedenfalls bestreitet energisch, irgendetwas zu tun zu haben mit der Drohnenattacke auf den Kreml. Das allerdings ist nur eingeschränkt plausibel. Denn auch frühere Drohnenattacken auf russische Raffinerien und Verkehrswege gingen nicht auf das Konto ukrainischer Sicherheitsdienste, so hieß es immer wieder. Später dann jedoch brüstete sich die ukrainische Seite dann doch gerade mit jenen Taten. Bis jetzt hatten beide Seiten dieses Konfliktes darauf verzichtet, die Wohnsitze und Regierungssitze der anderen Seite direkt anzugreifen. Ein Vergeltungsschlag der Russen gegen Selenski wäre auch im Augenblick sinnlos. Denn der ukrainische Regierungschef ist gerade auf Staatsbesuch in europäischen NATO-Staaten unterwegs. Selenski dort zu attackieren hieße, ein NATO-Land anzugreifen. Und das hieße nach Paragraph 5 der NATO-Charta, den Bündnisfall auszulösen. Dann würde die gesamte Meute der NATO-Mitgliedsstaaten genötigt sein, Russland direkt und nicht nur mit Waffenlieferungen anzugreifen.

Die Nervosität bei westlichen Personenschützern steigt spürbar an. Denn es ist durchgesickert, dass der ukrainische Präsident Selenski sich gerade auf einer inoffiziellen Europa-Tournee befindet. Er befand sich zum Zeitpunkt der Drohenattacke auf den Kreml im frisch gebackenen NATO-Staat Finnland. Und er brach auf in die Niederlande, um auch hier noch ein paar neue Waffensysteme mitzunehmen für sein Heimatland. Und dann sickerte durch, dass Selenski am 13. Mai auch in Berlin im Nobel-Hotel Carlton-Ritz am Potsdamer Platz abzusteigen gedachte, wie die Frankfurter Rundschau zu berichten weiß <4>. Und am 14. Mai, das ist nun gar nicht geheim, soll Selenski stellvertretend für das ukrainische Volk den umstrittenen Karlspreis in Aachen entgegennehmen <5>. Dieser Preis erinnert an den großen Reichseiniger Karl den Großen, der die Sachsen und die Friesen zwangsweise zum Christentum bekehrte, und der sich nicht scheute, an einem einzigen Tag 5.000 Mitglieder der sächsischen Führungsschicht köpfen zu lassen.

Ungeachtet solcher unzweifelhaft propagandistischen Preisverleihungen wird deutlich, dass die Geduld der Kriegstreiber im Westen mit ihrem Repräsentanten Selenski auf eine harte Probe gestellt wird. Selenski und sein Militär müssen jetzt endlich liefern. Der ukrainische Präsident verspricht seinen westlichen Geldgebern schon lange eine nachhaltige Frühjahrsoffensive gegen die russischen Invasionstruppen in seinem Heimatland. Um überhaupt Leistungsbereitschaft zu zeigen, überzeugt die ukrainische Seite mit punktuellen Nadelstichen. Ukrainische Drohnen schlagen ungehindert ein in russische Ölraffinerien auf der Krim. Oder sie zerfetzen Eisenbahnknotenpunkte im nördlich der Ukraine befindlichen russischen Territorium. Sie überfallen russische Dörfer und entführen oder massakrieren die dortige Zivilbevölkerung. All das ist für die russische Seite durchaus sehr schmerzhaft. Diese Nadelstiche sind allerdings militärstrategisch absolut bedeutungslos. Zu gleicher Zeit zertrümmert die russische Seite immer wieder ukrainische Munitionsdepots. Zudem haben die Wagner-Truppen die für die ukrainische Seite so bedeutsame Stadt Bachmut jetzt de facto komplett erobert. Allerdings binden die Ukrainer die russischen Streitkräfte in diesem zähen Kampf um jede Häuserzeile. Ob die ukrainische Seite die damit gewonnene Zeitspanne effektiv nutzen kann, wird sich noch zeigen.

Die ukrainischen Mittel sind begrenzt. Die Ukrainer scheuen vor der Frühjahrsoffensive noch zurück. Denn damit setzen sie nach Einschätzung von Experten alles auf eine Karte. Scheitert die Frühjahrsoffensive, ist das Spiel für die Ukraine verloren. Dann bleibt nur noch der Weg an den Verhandlungstisch. Das wäre natürlich auch für die Aktionäre westlicher Rüstungspapiere äußerst ärgerlich. Deshalb setzt die Ukraine anscheinend darauf, den Kreis der Kriegsteilnehmer zu erweitern. Im Augenblick formieren sich ukrainische Kräfte an der westlichen Grenze der Ukraine <6>. Das Nachbarland Transnistrien ist ein Gebilde, das sich bereits nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums von dem neuen Teilstaat Moldawien abgespalten hatte und das bis heute nur von Russland als eigenständiger Staat anerkannt wird. Russland hält dieses fragile Gebilde durch Zuwendungen am Leben. Dafür sind in Transnistrien russische Soldaten und Munitionslager stationiert. Dieses Gebiet jetzt gegen ukrainische Angriffe zu verteidigen würde weitere russische Streitkräfte binden. Zudem würde sich jetzt womöglich Moldawien, deren Regierung schon lange eine scharfe Rhetorik gegen Moskau fährt, auf der Seite der Ukraine in diesen Krieg eingreifen. Da Moldawien wiederum enge Bindungen mit dem NATO-Land Rumänien unterhält, würde sich bei ungünstigem Verlauf aus Sicht Moldawiens auch Rumänien einschalten. Aus dem begrenzten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine würde jetzt ein erklärter Krieg zwischen der NATO und Russland werden. Ein für westliche Falken nicht gerade unwillkommener Effekt.

Diese Dynamik der Eskalationsspirale käme dennoch aus der Sicht der Gesamtstrategie verfrüht. Es ist nicht zu übersehen, dass die Strategen in Washington es gerne sehen, wenn sich die europäischen „Verbündeten“ ohne die USA an Russland abarbeiten, während die USA sich unverkennbar ganz auf das donnernde Finale eines Krieges gegen China konzentrieren möchten. Hier wollen möglicherweise die ukrainischen Kriegsstrategen den Westen vor sich her treiben.

Die russische Seite arbeitet sich derweil in einem sehr behäbigen Tempo weiter voran. Doch für die Siegesparade angesichts des Sieges der Roten Armee über die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 möchte auch die russische Seite einen psychologischen Erfolg vorweisen. Es ist damit zu rechnen, dass russische Spezialkräfte sich eine Führungskraft der Ukraine vornehmen und dann exekutieren werden.

Das ist alles sehr unerfreulich. Es liegt an uns, energischer als bisher für einen sofortigen Waffenstillstand und ehrliche Verhandlungen einzutreten.

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